Martin Luther und der Teufel
Liebe Lesergemeinde!
Sonntag Invocavit 1522
April 1521: Martin Luther muß sich auf dem Reichstag in Worms vor dem Kaiser für seine Lehre verantworten. Er tut dies in beeindruckendem Freimut. Der Aufforderung, seine Schriften zu widerrufen, erteilt er eine klare Absage, die er mit den Worten abgeschlossen haben soll:
„Solange mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Hier stehe ich – ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.“
Luther wird auf dem Rückweg von Worms zu seinem eigenen Schutz entführt und auf die Wartburg bei Eisenach gebracht. Dort hält er sich inkognito als Junker Jörg auf und übersetzt die Bibel. Das weitere Geschehen im Reich, besonders den Verlauf der von ihm begonnen Reformation, kann er nur aus der Entfernung beobachten.
Wie mag sich Luther in seiner Schutzhaft auf der Wartburg gefühlt haben? Vielleicht werden ihn Zweifel geplagt haben, ob sein Weg richtig gewesen ist. Sicherlich wird große Sorgen gehabt haben über den weiteren Verlauf der Reformation. Nach zehn Monaten wird es ihm zu viel. Am heutigen Sonntag vor 499 Jahren kehrt er nach Wittenberg zurück und greift durch flammende Predigten – den „Invocavitpredigten“ – wieder aktiv ins Reformationsgeschehen ein.
Martin Luther und der Teufel
Vom Aufenthalt Luthers auf der Wartburg gibt es noch eine interessante und volkstümliche Geschichte: eines Tages soll Luther in seinem Arbeitszimmer plötzlich der Teufel selbst erschienen sein. Luther habe ihm aber energisch Widerstand geleistet und sogar mit einem Tintenfaß nach ihm geworfen, so dass die holzgetäfelte Wand von der Tinte einen großen schwarzen Flecken bekommen hat.
Natürlich kann man dieses Erlebnis mit den Sorgen und Zweifeln und der ganzen angespannten Situation Luthers psychologisch erklären. Tatsache ist aber auch, dass die Menschen damals im ausgehenden Mittelalter einen ganz anderen Bezug zu der konkreten Gegenwart des Bösen hatten. Das Widergöttliche hatte für sie eine konkrete Gestalt, es war gegenständlich, ja, es war eine reale Person. Eben der Teufel. Und Luther kämpft gegen ihn!
"Und wenn die Welt voll Teufel wär'..."
Woher kommt es eigentlich das Böse, das Widergöttliche in der Welt? Wer oder was trägt es an uns Menschen heran? In der Bibel wird oftmals berichtet, dass es eine böse Macht gibt, die den Menschen ganz konkret mit schönen Versprechungen von Gott und seinem guten Willen abbringen will. Wie auch immer sein Name sei - Teufel, Satan, Versucher, Antichrist, Durcheinanderbringer – seine Absicht ist es, Gottes Wirken und Geist in uns zu stören und uns so in das Reich des Widergöttlichen zu ziehen. Seine Masche ist dabei auch offensichtlich: „Du Mensch, sage Gott und seinem Anspruch auf dich ab, und dann werden dir die herrlichsten Dinge zuteil, ja, du wirst letztlich wie Gott selbst.“
Der Teufel, der Antichrist, der Satan, die Gestalt, die den Menschen weglockt von Gottes Willen hin zu dem, was gegen Gottes Wort ist und letztlich zu Tod und Verderben führt. Wenn man nach dieser Gestalt immer mit Tintenfässern schmeißen könnte, dann wär es ja nicht so schlimm. Aber laut biblischer Überlieferung kommt der Teufel auch ganz anders daher, und niemand ist vor seinem Erscheinen sicher. Da macht er den ersten Menschen in Gestalt einer Schlange die verbotenen Früchte schmackhaft (schauen Sie mal auf das linke Glasfenster im Chorraum unserer Kirche). Und Jesus Christus selbst bekommt von ihm in schwieriger Situation ziemlich verlockende Angebote: bete mich an, und ich mache dich zum Herrscher der Welt!
So weit die biblische Überlieferung – aber können wir heutigen Menschen uns diesen Teufel überhaupt noch vorstellen? Wir leben nun mal nach der Aufklärung, wir haben uns von den Vorstellungen und Denkweisen der Antike und des Mittelalters gelöst. Der Teufel als reale Gestalt? Hm, das scheint uns doch schwer vorstellbar.
Und selbst wenn es ihn gäbe: wo kommt er eigentlich her? Hat nicht Gott die Welt gut geschaffen? Ist ihm da etwa ein kleiner Konstruktionsfehler unterlaufen? Und selbst wenn: ist Gott denn nicht mächtig genug, dem Teufel das Maul zu stopfen?
Es gibt keine Antwort auf das Problem des Bösen, und so gibt es auch kein christliches Patentrezept gegen Versuchung und Sünde. Wir können nur wahrnehmen und bedenken, dass es die Sünde in unserem Leben gibt. Aber diese Erkenntnis muß uns nicht in die Hoffnungslosigkeit stürzen! Jesus Christus selbst wurde versucht. Er hat widerstanden, und er hat um unserer Sünde willen den Tod erlitten. Jesu Kreuzestod ist sozusagen die Generalabrechnung mit der Sünde. Er befreit uns nicht vor der Versuchung – und auch nicht vorm Scheitern an der Versuchung! Wir sind Sünder, und wir werden – allem guten Willen zum Trotz – weiterhin gegen Gottes guten Willen handeln. Aber in Jesus Christus erledigt Gott selbst ein für allemal die Sünde. Er tut sie weg, heftet sie an das Kreuz – und befreit uns so von der Macht des Bösen. Glauben heißt, dies anzunehmen und Gott durch alle Anfechtungen und Versuchungen des Lebens hindurch zu vertrauen.
Denn: Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre (Wochenspruch 1. Johannes 3,8b)
Erinnern wir uns nochmal an Luther. Wenn er mit dem Tintenfaß nach dem Teufel wirft, dann heißt das ja, dass er gegen das Böse kämpft. Und wenn er sich aller Drohungen zum Trotz einzig auf sein Gewissen und die Hilfe Gottes beruft, dann zeigt dies, daß er sich in allem ganz und gar der Liebe Gottes anvertraut. DAS ist eben unsere Aufgabe als Christen, und nicht das Zittern vor dem Bösen oder die Suche nach Entschuldigungen. In solchem Glauben können auch wir wie Luther davon singen, dass Gott für uns wie eine feste Burg ist, die uns vor jedem Bösen bewahrt, und dass mit Jesus Christus der richtige für uns eintritt. Streiten wir uns nicht über das Sein der Sünde oder das Aussehen des Bösen. Lassen Sie uns lieber, wie es im Hebräerbrief heißt, aufsehen auf Christus, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Diesen Glauben, der alles Böse überwindet und den Bösen hinter sich läßt, den schenke uns der allmächtige und barmherzige Gott.
Amen.