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Warum?

Liebe Lesergemeinde!

Photo by Emily Morter on Unsplash

Noch immer massive Einschränkungen in unserem Leben, noch immer Beschränkungen bei unseren Gottesdiensten; noch immer darf ich mich nicht treffen, mit wem ich will und mit so vielen Menschen wie ich will, wieder eine Onlinesynode und nicht präsent, wo ich doch gerne Synodalen und Kollegen direkt in die Augen sehen würde, wo direkte Gespräche und Diskussionen besser möglich sind. 

Warum lässt Gott das zu? 

Diese Frage beschäftigt uns alle; den einen mehr, die andere weniger. Viel schlimmer aber erging es Hiob. ich lese den Predigttext des Sonntags Judica, Hiob 19,19-27: 

Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. 
Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon. 
Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! 
Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch?
Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, 
mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen! 
Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. 
Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen. 
Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust. 

Hiob ist ganz unten angekommen; er ist sich sicher, ich habe nichts Unrechtes getan und er nimmt das Böse genauso aus Gottes Hand, wie er zuvor das Gute angenommen hat. 

Nun sind seine Kinder gestorben; der Besitz ist weg; seine Frau wendet sich ab, die Knechte gehorchen nicht mehr, Krankheit frisst ihn auf. Und seine Freunde versuchen ihn davon zu überzeugen, dass er Schuld an dem ganzen Dilemma ist.
Ähnlich wie wir in dieser Pandemie-Krise hadert er mit seinem Schicksal, kämpft er mit Unsicherheit; ist er von Angst und Zweifeln erfüllt, hat er Todesangst. 
Bei uns kommen dazu Angst um Menschen, die uns wichtig sind, Angst um die Lage in der Welt, um die Ausmaße der wirtschaftlichen Folgen für unsere Kirche, unser Land, für die ganze Welt. 

Hiob kennt die Ohnmachtserfahrungen, die auch uns immer wieder ergreifen und erfüllen. Was kann da helfen in der Krise? Was trägt mich hindurch? 

Ich glaube, dass muss Jede und Jeder von uns selbst beantworten. 

Mich selber trägt mein Glaube; in der Kindheit im Pfarrhaus in Dortmund Kirchhörde von meinen Eltern angelegt. Kindergottesdienst und Jugendarbeit halfen ihn zu schärfen und zu stärken. Der Tod meiner Mutter warf mich aus der Bahn, mit 15 Jahren stellte ich die Frage: Warum lässt Gott das zu? Aber da gab es Menschen, die waren einfach da, der Posaunenchor, knapp zweieinhalb Jahre vorher mit vielen Jugendlichen nach langen Jahren wiedergegründet. Eine Gemeinschaft, die Halt bot. In der Musik im Posaunenchor und im kirchlichen Orchester der Nachbargemeinde fand ich Halt und Orientierung, mein Kinderglaube fand jetzt in veränderter Form ein neues Fundament. 

Für mich war immer die Gemeinschaft mit anderen Menschen wichtig, mit Menschen, die mit mir ihren Glauben teilten und Gemeinschaft hatten. Diese Erinnerungen sind es, die mir Kraft geben und Halt. Das Studium der Theologie verwissenschaftlichte den Glauben, erschütterte ihn, stellte ihn in Frage, aber das Fundament blieb und geriet nicht ins Wanken. Vielleicht weil ich es einfach nicht lassen konnte, weiter unheimlich viel Musik zu machen und mit Menschen in Kontakt zu sein, die dieses Hobby teilten. Ich könnte weiterzählen von meiner Band, mit der ich in der Gemeinde auf Kirchentagen gespielt habe. Es gibt viele weitere Erinnerungen, die mich tragen.

Ich habe beim Schreiben dieser Predigt gemerkt, dass die Erinnerungen an diese Zeiten für mich immer Hoffnungsschimmer waren und sind. Sie sind Lichtblick und Orientierung in schwerer Zeit und sie haben mir gezeigt: 

Du bist nicht allein! 

Hiob fordert uns zur ganz persönlichen Auseinandersetzung mit unserem Glauben auf. Da ist er unbequem. Denn nun kann ich nicht über den Glauben von anderen reden, da kann ich nur von mir sprechen. Seine Haltung ist bewundernswert. Bis an die Schwelle des Todes behält Hiob sein Vertrauen zu Gott und die Gewissheit, dass es einen Gott gibt, der ihn einmal aus all dem befreien wird. Hiob gibt nicht auf. 

Mit Gott und zugleich gegen Gott hält er daran fest, dass Gott sein Leben, seine Gesundheit, sein Glück will. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hiob 19,25a), So bekennt er. GOTT wird mir helfen. 

Ich werde Gott sehen und nicht die anderen, die mir dumme Ratschläge geben. Der Glaube Hiobs ist paradox: 

Er wendet sich gegen Gott und zugleich wendet er sich an Gott. Er schimpft mit ihm und gibt doch seinen Glauben nicht auf. So ist er Vorbild für mich, indem er mir klar macht: Du bist nicht allein, Gott ist bei Dir! 

Und im Rückblick auf meine eigenen Erfahrungen entdeckt ich, dass es gerade meine Erinnerungen an gemeinsam erlebtes Leid sind, die mir sagen: 

Da ist Gott und da sind Menschen; die mich auffangen; die mir helfen, die mich tragen. Ich darf mich fallen lassen. Ja! Auch im Leid, im Nichtverstehen, im Fragen und Schimpfen, im Stöhnen und Hadern: 

GOTT IST DA! „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ 

Aus diesem Wissen heraus finde ich die Kraft, mit dem Negativen umzugehen und kann mit Dietrich Bonhoeffer bekennen: Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. 

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müßte alle Angst vor der Zukunft überwunden sein. Ich glaube, daß Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern daß er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet. 

Amen. 

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